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Rede auf der Demonstration „Lichter für Kobanê“ am 25.01.25

[Seit Anfang Dezember ist die autonome Selbstverwaltung in Rohjava erneut massiven Angriffen der mit der Türkei verbündeten jihadistischen „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) ausgesetzt. Währenddessen hat die islamistische Hayat Tahrir al Sham (HTS) Miliz die Macht in Damaskus übernommen.] (1) Geblendet von der Euphorie des Sturzes Assads, ignorieren v.a. westliche Regierungen und Medien den islamistischen Hintergrund der HTS. Früher noch als al-Nusra Front, bzw. der syrischer Ableger des Terrornetzwerkes AlQuaida, kämpfte die HTS auch an der Seite des sogenannten Islamischen Staat. Während diese Islamisten als vermeintliche Befreier aus dem Baath-Regime glorifiziert werden, wird willentlich ignoriert welchen Gefahren ethnische Minderheiten wie Jesid:innen und Kurd:innen in Syrien nun ausgesetzt sind.

Vor diesem Hintergrund rühmt man sich in Deutschland stattdessen mit Erdogan und seinem Außenminister Fidan nun, in der Sache Kurdenverfolgung keine halben Sachen mehr zu machen. Man wollte für eine Entwaffnung der kurdischen Rebellen in Nordsyrien sorgen, die in der Realität wahrscheinlich einer Auslieferung an Islamisten gleichkommen würde.

Doch diese antikurdische Haltung des deutschen Außenministeriums ist weder überraschend noch neu: Die jüngsten Äußerungen von Baerbock reihen sich in zahlreiche Verunglimpfungen und Repressionen gegen die kurdische Bewegung hierzulande ein. Statt die YPG und YPJ als die Befreier vom IS und Kämpfer:innen gegen den IS in der Region anzuerkennen, werden ihre Erfolge verkannt. Denn dass die kurdische Freiheitsbewegung für eine Stabilisierung der Region gesorgt hat, war und ist v.a. der faschistischen Regierung von Erdogan in ihrem Streben, den türkischen Einfluss auf die gesamte Region auszubauen, ein Dorn im Auge.

Eine stabile Selbstverwaltung in Rojava stellt für Erdogan eine Gefahr dar und so wundert es uns nicht, dass die Türkei schon seit Jahren islamistische Strukturen in Syrien finanziert und auch selbst immer wieder Angriffe auf Nordrojava durchführt. Einem Schulterschluss gleichkommend verteidigt die Bundesregierung stets dieses Handeln und so wird auch auch die Vergangenheit der HTS ignoriert. Doch wen wundert es? Man möchte die Türkei nicht als politischen Partner verlieren, wenn es um die rassistische Migrationspolitik der BRD geht. Genauso wenig wundert die Euphorie mit der nach dem Sturz Assads über Abschiebungen fantasiert wurde. So scheint die tatsächliche Situation vor Ort egal zu sein. Denn ob die Menschen, die man aus Europa abschiebt danach sicher leben oder überhaupt leben können, ist vollkommen nebensächlich. Einzig und allein zählt, sich selbst als „Ordnungshalter“ aufzuspielen und den eigenen Rassismus kundzutun.

Deutschland und die Türkei:

Während die Bundesregierung den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf internationaler Bühne kritisiert und sanktioniert, scheint es kein Problem zu sein weiterhin Waffen und Gelder an die Türkei zu senden und die Zusammenarbeit mit dem Erdogan Regime sogar auszubauen. Wenige Wochen nach dem Sturz Assads reiste Baerbock in die Türkei, da man -Zitat-: Nur mit Erdogan gemeinsam einen Beitrag zur Stabilisierung Syriens leisten könne und als internationale Gemeinschaft an einem Strang ziehen müsse. Was diese Zusammenarbeit und internationale Gemeinschaft für die kurdische Bevölkerung in Rojava in der Praxis bedeutet, zeigt sich auf brutalste Art und Weise bei Bombardierungen und Luftangriffen auf die kurdischen Gebiete. Doch die anhaltende Aggression der Bundesregierung auf die kurdische Befreiungsbewegung zeigt sich nicht nur auf der Ebene internationaler Politik und ihrer engen Freundschaft mit Erdogan.

Auch in Deutschland ist die kurdische Befreiungsbewegung dauerhaft Angriffen und Kriminalisierung ausgesetzt. Seit den 80ern verfolgt der deutsche Staat kurdische Aktivist*innen und Gruppen. Der deutsche Kriminalisierungs-Eifer nahm ihren Höhepunkt 1994 im Mord von Halim Dener in Hannover. Der 16-jährige Kurde Halim Dener kam als unbegleiteter Geflüchteter nach Deutschland. Als er eines Abends in Hannover plakatieren war, wurde er von einem deutschen Polizisten erschossen. Halim Deners Mörder wurde freigesprochen. Dieser Mord geschah keinesfalls in einem luftleeren Raum, der deutsche Staat geht seit 1993 verstärkt die kurdische Freiheitsbewegung vor.

Damals wurde die kurdische Arbeiterpartei (PKK) als „Terrororganisation“ eingestuft und  verboten. Das Verbot stellt bis heute einen Grundpfeiler der Repression gegen die kurdische Befreiungsbewegung dar. Aufgrund dieses Verbots sitzen momentan mehr als 12 kurdische Aktivist*innen in deutschen Knästen. Fast alle sind wegen des Paragraf 129b inhaftiert, also der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“. Dazu kommen die unzähligen und alltäglichen Repressionen im „kleinen“. Sei es die allgegenwärtige Polizeipräsenz und Schikane bei jeder kurdischen Demo oder die immer wiederkehrenden Durchsuchungen in kurdischen Kulturvereinen.

Deutschland ist der Vorreiter der Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung. Andere europäische Staaten gehen deutlich weniger rigoros vor. So gab es in Belgien bereits 2020 eine Entscheidung des Kassationshofes, der oberste Gerichtshof, in der die PKK nicht als terroristische Vereinigung sondern als Partei in einem bewaffneten Konflikt definierte. Dieses Urteil definierte also die PKK nicht als Terroristengruppe, sondern erklärte, dass die PKK ebenfalls dem humanitären Volkerrecht unterliege und eben das Kombattantenprivileg nutzen dürfe. Aus der belgischen Rechtsprechung lässt sich durchaus ableiten, wie mit der kurdischen Bewegung stattdessen umgegangen werden könnte. Das dies nicht den Wünschen der Ampel und Konsorten entspricht, hat wohl einzig und allein damit zu tun, dass man Erdogan als Mittäter bei den eigenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem Mittelmeer braucht.

Stoppt die Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung – Weg mit dem Verbot der PKK! Es lebe die Revolution – Biji berxwedana Rojava!

(1) In der ursprünglichen Fassung dieses Textes wurde fälschlicherweise nicht zwischen der SNA und der HTS-Miliz unterschieden. Dies wurde hier nachträglich korrigiert. [03.02.25]